Vita

Lutz Glandien
* 1954

Die Tradition des experimentellen Liedertheaters der 70/80er Jahre bildet den Hintergrund für die musikalische Entwicklung des Berliner Komponisten Lutz Glandien. Von 1977-1983 war er Pianist und Komponist des Schicht-Theaters in Dresden, das schon damals im Grenzbereich zwischen Lied und Theater arbeitete und mit multimedialen Formen experimentierte. Nach dem Studium zeitgenössischer Komposition an der Hochschule für Musik Hanns Eisler bei Wolfram Heicking (1979-1983) und in der Meisterklasse der Akademie der Künste in Berlin bei Georg Katzer (1985-1987) schrieb Glandien zahlreiche Werke für Soloinstrumente, Kammerensembles und Sinfonieorchester, unter anderem ein »Konzert für Tuba und Orchester« (1987) für den Tubisten Michael Vogt.

Gegen Ende der 80er Jahre wandte sich Glandien von tradierten musikalischen Formen zeitgenössischer Komposition ab, indem er begann, Instrumente für seine Kompositionen zu entwickeln und zu bauen und sich der Produktion Elektroakustischer Musik zuzuwenden. Sein kompositorisches Schaffen verlagerte sich vom Schreibtisch ins Musikstudio. Eine Auswahl seiner zahlreichen elektroakustischen Kompositionen erschien auf der CD »Scenes from no Marriage« (1994, RéR Megacorp, London) und auf der Porträt-CD »Lutz Glandien« (1995, Wergo).

In den 90er Jahren richtete er sein eigenes Tonstudio ein, wo er Musik und Soundtracks zu über 150 Hörspielen, Dokumentarfilmen, Kunstvideos und Ausstellungen produzierte. Er realisierte mehrere Klanginstallationen im öffentlichen Raum gemeinsam mit dem Architekten Malte Lüders.

Die Bekanntschaft mit dem englischen Schlagzeuger und Produzenten Chris Cutler initiierte seine Zusammenarbeit mit Musikern aus der Improvisations- und Avantgarde-Rockszene, die sich in der CD »Domestic Stories« (1992, RéR) und dem Projekt P53 (1995, RéR) manifestierte. In den nachfolgenden Studioproduktionen »The 5th Elephant« (2002, RéR) und »Lost in Rooms« (2003, RéR) entwickelte er einen neuen Kompositionsansatz.

Die in einer virtuellen Collagetechnik entstandenen Stücke bezeichnet er als virtualectric stories. Nach 2000 produzierte Glandien mehrere Kompositionen für Ensembles des zeitgenössischen Tanzes: Tanzcompagnie Rubato (Berlin), Jin Xing Dance Theatre (Shanghai) und Akira Kasai (Tokyo). Die Zusammenarbeit mit dem Berliner Instrumentenbauer Bernhard Deutz markierte 2005 eine Rückbesinnung auf tonale instrumentale Kompositionen. Mit den von Deutz gebauten Saiteninstrumenten spielte Lutz Glandien 2007 die CD »Kyomei« ein.

Nach 2010 wandte Glandien sich dem Bereich Performance zu. In Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Iris Sputh entstanden mehrere Tanzperformances, u.a. das Stück »Höchstens erschweigen – aber was?«, ein Tanz- und Videoprojekt gemeinsam mit der Performerin Maria Lucchese. In Zusammenarbeit mit Susanne Fröhlich entstanden mehrere Kompositionen für Bassblockföten, Monochorde und Elektronik verbunden mit Liveauftritten. Die Bekanntschaft mit dem Multiinstrumentalisten Sören Birke mündete in der CD-Produktion »Inluk«. 2013 wurde seine Musiktheaterproduktion »Der Ring« im Gewandhaus zu Leipzig mit großem Erfolg aufgeführt.

Momentan entwickelt Glandien ein Konzept zum Thema Neues von der Insel zum Thema Utopien in der zeitgenössischen Musik.

Lutz Glandien erhielt mehrere Kompositionspreise sowie Stipendien in Paris, Berlin, Köln, Aarhus und Tokyo.

Stand: Juni 2020